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"Der Mensch ist frei geboren, doch überall liegt er in Ketten."
- Jean-Jacques Rousseau -


Die Kabylei - Infos und Geschichte

Die Kabylei
...ist in Deutschland so gut wie kein Begriff; 
anders verhält es sich beispielsweise in der früheren Kolonialmacht Algeriens, Frankreich.
Treffen sich dort (Nord-)Afrikaner bzw. Algerier, die sich nicht kennen, ist – nachdem geklärt ist, aus welchem Land man kommt – eine wichtige Frage:
rot markiert: die Kabylei
„Woher stammst du in Algerien?“ bzw. „Kommst du aus der Kabylei?“







Hier nun ein paar Informationen zur Kabylei:
Fläche/Einwohner

Algerien
Kabylei
Bayern
Deutschland
2.381.741 km²/
ca. 32 Mio.
ca. 26.000 km²/geschätzt
ca. 5 Mio.
ca. 70.510 km²/
ca. 12,5 Mio.
ca. 357.112 km²/
ca. 82 Mio.



Die Kabylei ist eine gebirgige Region im
schluchtenreichen Gebirgszug "Tellatlas" des nordöstlichen Algeriens. Da der Boden meist steinig und trocken ist, ist die Landwirtschaft wenig ertragreich. Wirtschaftliche Alternativen gibt es allerdings kaum und so ist die Arbeitslosenquote recht hoch (die Region Kabylei ist zudem die landesweit am dichtesten besiedelte). Deshalb wandern diejenigen, die sich eine bessere Zukunft erhoffen, hauptsächlich nach Europa (meist Frankreich) oder nach Kanada aus.



Zentren der Kabylei sind die küstennahen Städte Tizi-Ouzou (kabylisch: Tizi-Wezzu), und Bougie (Bgayet) östlich und Bouira (Tuvirets) südöstlich von Algier.









Die Kabylei zeichnet sich durch eine sehr gebirgige Landschaft aus, die über einige 2000 Meter hohe Gipfel verfügt. Dies brachte ihr den Namen „La Petite Suisse“ ein.



Neben den hohen Gipfeln ist aber auch ihre ca. 400 km lange Mittelmeerküste erwähnenswert.


Die Kabylei ist eine der Regionen, in der sich die Bevölkerung gegen den islamistischen Fundamentalismus stellt; zudem distanzieren sich die meisten Bewohner von der Arabisierungspolitik der algerischen Regierung und legen Wert darauf, dass sie nicht als Araber wahrgenommen bzw. bezeichnet werden, sondern als Berber.


typisch für die kabylischen Frauen: ihre farbenfrohe Kleidung
Die meisten Kabylen sind moderate Moslems; ihre Kultur ist säkular, was aber dem algerischen Regime aufgrund der von ihm angestrebten Arabisierung und Islamisierung ein Dorn im Auge ist.
Der Großteil der Kabylen lebt einen sehr toleranten Islam, der ein wenig - wie andere Religionen auch - an ihre Kultur angepasst wird. Aus früheren "vormuslimischen" Zeiten sind z.B. auch noch christliche Gebräuche gegenwärtig; so bekreuzigt man oft kleine Kinder - allerdings ohne zu wissen, was das genau bedeutet bzw. warum man dies macht.
Andere Religionen oder eine Nicht-Ausübung des Islam ist  für den Großteil der kabylischen Bevölkerung kein Problem und deshalb auch kein Grund, religiös anders denkende Menschen zu verurteilen oder zu diskriminieren.



Nach vielen Jahren, in denen es nicht geduldet war, kabylisches Tamazight zu sprechen bzw. sogar verboten war, diese Sprache zu schreiben, wird in der Kabylei wieder Kabylisch gesprochen und geschrieben sowie – sofern Lehrer vorhanden sind – auch unterrichtet. Weitere Verkehrssprachen sind daneben aber Arabisch und Französisch.



kabylische Tongefäße
Die Berichterstattung in unseren Medien beschränkt sich meist darauf, relativ pauschal über Unruhen aus diversen Ländern zu berichten. So ist so gut wie unbekannt, dass die (in Algerien und auch die im Ausland lebenden) Kabylen sich für eine Demokratisierung und Selbstverwaltung der Kabylei sowie für die Anerkennung ihrer Sprache und Kultur einsetzen. Man kann das Land Algerien in etwa mit dem ehemaligen Vielvölkerstaat Jugoslawien vergleichen und die Kabylen mit   den hierzulande bekannten Kurden - mit dem Unterschied, dass die Kabylen mit friedlichen Mitteln für ihr Volk kämpfen.








die farbenfrohe Flagge der Berber



Ein bisschen Geschichte:

Vor der Zeitenwende
ist die Kabylei bereits besiedelt
Erst 1857
kann die Kabylei durch die Franzosen besetzt werden (restliches Algerien bereits 1830).
Der von 1954 bis 1962
geführte Unabhängigkeitskampf bzw. Algerienkrieg (<<dieser Ausdruck ist von Frankreich erst seit 1999 im Sprachgebrauch erlaubt und wird zuvor als Krieg nicht zugegeben) wird von beiden Seiten mit äußerster Härte geführt und gilt als einer der von beiden Seiten am grausamsten geführten Unabhängigkeitskriege.
Am 05.07.1962
wird Algerien unabhängig und übernimmt die zentralistische Struktur, die einst Frankreich eingeführt hatte. Die Kabylen sind enttäuscht, weil die algerische Politik, welche bis heute zum Großteil aus arabisierten Personen besteht, ihre Versprechungen nicht eingehalten hat - nämlich die Gründung eines neuen Staates und diesen nach demokratischen Grundsätzen zu regieren. Die Politiker verfolgen stattdessen bis heute eine Arabisierungspolitik, welche die Sprache der Kabylen - das kabylische Tamazight - nicht nur ignoriert, sondern versucht, diese Sprache sowie die kabylische Kultur verschwinden zu lassen.
April 1980
Berberfrühling: kabylischer Studentenaufstand für die Anerkennung der Rechte des kabylischen Volkes, seiner Sprache, Identität, Kultur, Geschichte. Der Auslöser dieses Aufstands war ein Verbot eines Vortrags über Berberpoesie, den ein kabylischer Professor, der zugleich Schriftsteller war, halten wollte.
1994 bis 1995
boykottieren Schüler ein Jahr lang die Schulen, um für die Anerkennung ihrer kabylischen Muttersprache zu demonstrieren.
1996
wird von der algerischen Regierung Arabisch als einzige offizielle Sprache bzw. Amtssprache festgeschrieben.
Nach 1996
kommt es wiederum zu Schulboykotten bis die Kabylen durchsetzen, dass in manchen Schulen nicht nur Arabisch und Französisch, sondern auch kabylisches Tamazight unterrichtet wird.
2001
Schwarzer Frühling: Nach Festnahme und anschließender Erschießung eines kabylischen Gymnasiasten nahe Tizi-Ouzou kommt es zu schweren Ausschreitungen, in deren Verlauf es zu 127 Toten kommt sowie tausende Kabylen dauerhafte Schäden erleiden.
05.06.2001
Gründung von „MAK“ [Mouvement pour l'autonomie de la Kabylie (Bewegung für die Autonomie der Kabylei)] durch kabylische Politiker und Bürger mit dem Ziel, ein Autonomiegebiet mit demokratischen Grundregeln zu erschaffen.
2002
wird das kabylische Tamazight zwar nicht als Amtssprache, aber immerhin als Nationalsprache verankert. Allerdings wird nicht viel getan, um eine übergreifende Unterrichtsversorgung in dieser Sprache zu gewährleisten; so sind Kabylisch unterrichtende Lehrer schlicht Mangelware.
Am 01.06.2010



wird in Paris eine provisorische kabylische Exil-Regierung unter dem Namen „GPK“ (Gouvernement Provisoire Kabylie) gegründet. Diese hat sich zur Aufgabe gemacht, die Bewegung MAK auf internationaler Ebene zu unterstützen und die Weltgemeinschaft auf die Existenz(-berechtigung) des kabylischen Volkes aufmerksam zu machen und Unterstützung einzufordern.
03.08.2013
Die Kabylen zeigen und fordern im Rahmen einer friedlichen Kundgebung Toleranz im Fastenmonat Ramadan.

22.09.2014
Der Franzose Hervé Gourdel wird auf einer Wanderung in der Kabylei von der Gruppe "Dschund al Khilafa" (Soldaten des Kalifats), welche ursprünglich Al Kaida nahestand, sich aber zuletzt der Terromiliz "Islamischer Staat" zuwandte, entführt.
Mit der Entführung soll Frankreich erpresst werden, die Bombardements auf den Islamischen Staat zu stoppen.
Am 24.09.2014 wird bekannt, dass Gourdel feige und brutal ermordet wurde.
Die Bewegung für eine Autonomie der Kabylei sowie die Exilregierung der Kabylei verurteilen die Ermordung aufs Schärfste und ruft alle Kabylen zur Wachsamkeit auf.

März 2015
Es ist vollbracht! Die Kabylen haben nun neben der Berber-Flagge eine eigens mittels eines Wettbewerbs entworfene und gewählte Flagge.

Bis heute
kämpfen die Kabylen um die Anerkennung ihrer Sprache und möchten – darin sind sie grenzübergreifend einig mit den Imazighen (bedeutet „freier Mensch“) in den anderen nordafrikanischen Staaten – sprachliche, kulturelle und politische Autonomie.









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